In der Bundesrepublik Deutschland besteht seit 01.01.2013 Rundfunkbeitragspflicht für das Innehaben einer Wohnung. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in § 2 und $ 3 RBStV.
Für die Inhaberschaft einer Wohnung ist im Rahmen der Rundfunkbeitragspflicht ausschließlich die Definition in $ 3 RBStV maßgeblich und jeder einzelne Raum oder jede Gruppe von Räumen ist ausschließlich anhand der dort festgelegten Kriterien zu überprüfen.
Alle erwachsenen Personen, die eine Wohnung nach dieser Definition bewohnen, unterliegen der Rundfunkbeitragspflicht.
Es ist deshalb von großer Wichtigkeit festzustellen, auf wie viele Wohnungen sich die unter einer Adresse gemeldeten Personen verteilen.
In § 3 RBStV findet man folgende Definition:
(1) Wohnung ist unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die
1. zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und
2. durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann.
(2) Nicht als Wohnung gelten Raumeinheiten in folgenden Betriebsstätten: …
Die Rundfunkanstalten hingegen verwenden erstaunlicherweise folgende verkürzte Definition auf www.rundfunkbeitrag.de:
Eine Wohnung ist eine ortsfeste, baulich abgeschlossene Einheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird, einen eigenen Eingang hat und nicht ausschließlich über eine andere Wohnung begehbar ist.
Diese Definition ist identisch mit derjenigen auf den gedruckten Anmeldeformularen der Rundfunkanstalten, welche öffentlich ausliegen.
Die Rundfunkanstalten fordern in Ihren Anschreiben Beiträge für eine „Wohnung“ ohne näher zu bezeichnen, was sie damit eigentlich meinen, weisen in Ihren Anschreiben jedoch nicht auf die Legaldefinition in § 3 hin und fragen lediglich ab, ob schon jemand anderes für diese Wohnung Rundfunkbeiträge entrichtet.
Gemäß § 8 RBStV (Anzeigepflicht) besteht keine explizite Anzeigepflicht dafür, ob eine Wohnung die Kriterien der Definition in § 3 RBStV erfüllt, also überhaupt eine Wohnung ist. Es ist lediglich die Lage der Wohnung mitzuteilen.
Bauliche Abgeschlossenheit bedeutet, dass ein Raum oder eine Gruppe von Räumen durch Wände Decken, Türen und Fenster von der Umgebung abgetrennt ist.
Die Definition selbst ist klar verständlich und präzise in allen Fällen, in denen die Bedingung „zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt“ zweifelsfrei erfüllt ist, also bei baulich abgeschlossenen Gruppen von Räumen, die mindestens einen Wohnraum, eine Kochgelegenheit, sowie Bad und Toilette beinhalten. Die Anwendung der Definition führt sowohl bei einer Betrachtung von außen, also einem Wohngebäude, wie von innen, beginnend bei einem einzelnen Zimmer, zu stets gleichen Ergebnissen. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Feststellung des Umfangs, der die Beitragspflicht begründenden Raumeinheit ist, die Formulierung „nicht ausschließlich über eine andere Wohnung betreten werden kann“, also eine weitere „… ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit …“.
Es ist bei diesem Kriterium lediglich zu prüfen, ob ein Raum oder eine Raumeinheit sich innerhalb einer umfassenderen Raumeinheit befindet, die ebenfalls noch den Kriterien der Definition genügt. Da die Definition durch diese Formulierung einen Selbstbezug aufweist, verschachtelt sie einzelne Räume oder Raumgruppen ineinander ähnlich den russischen Matrjoschka Puppen.
Wenn man hingegen einen einzelnen Raum als Wohnung ansieht, wie z.B. im Falle von M 6 K 15.804, dann sind auch Hausflure oder Treppenhäuser Wohnungen und nicht mehr die Wohneinheiten, welche über diese betreten werden, da Flure oder Treppenhäuser zumindest als „zum Schlafen geeignet“ angesehen werden müssen, was zum gleichen Ergebnis führt.
Ein Wohngebäude ist folglich eine Wohnung im Sinne § 3 RBStV, da es die Voraussetzungen der Definition in jedem Fall erfüllt (…unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume) und anhand dieser Definition nicht kleinere Einheiten aufgeteilt werden kann, weil alle darin liegenden kleineren Wohneinheiten nur über das Gebäude selbst betreten werden können.
Zur Verdeutlichung einige Beispiele:
- Ein einzelnes Zimmer ohne weitere Ausstattung mit zusätzlicher Außentür
Falls die Türe nicht von außen geöffnet werden kann, handelt es sich eindeutig um keine Wohnung, da das Zimmer nur von einer umfassenderen Raumeinheit aus begehbar ist. Anderenfalls ist das Verständnis von „zum Wohnen oder Schlafen geeignet oder genutzt“ bei gegebener baulicher Abgeschlossenheit des Raumes von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn man unter „Wohnen“ dauerhaftes sich Aufhalten unter Benutzung einer Küche, eines Bades sowie einer Toilette versteht, so trifft dieses Kriterium für diesen Raum alleine sicher nicht zu. Das Kriterium „Schlafen oder zum Schlafen geeignet“ trifft jedoch zu, wenn man die Möglichkeit einer Toilettenbenutzung innerhalb der betrachteten Raumeinheit in Zusammenhang mit Schlafen als nicht auschlaggebend betrachtet und die Verwendung eines Nachttopfes im Rahmen der Rundfunkbeitragspflicht als zumutbare Belastung ansieht. Es stellt sich auch die Frage, ob eine derartige „Wohnsituation“ noch mit der verfassungsrechtlichen Begründung einer Haushaltsabgabe in Einklang zu bringen ist und inwieweit „Schlafen“ einen sinnvollen Anknüpfungspunkt für Rundfunkbeiträge darstellt.
Im Fall von 3 K 159/14 wurde eine Studentin zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für ein einzelnes Wohnheimzimmer ohne Küche, Bad und WC verurteilt. Es handelte sich also um eine „Wohnung“ die, wenn überhaupt, nur zum Schlafen geeignet war, niemals jedoch um eine Wohnung nach heutigem Verständnis. Wohnen konnte die Klägerin nur in der größeren Raumeinheit der Flurgemeinschaft, da in dieser auch die Gemeinschaftsküche, sowie Bad und Toilette enthalten waren.
Ähnliches im Falle von M 6 K 15.804. Wenn man der Logik der Gerichtsurteile von 3 K 159/14 und M 6 K 15.804 folgt, würde nebenbei bemerkt, für nahezu jedes Zimmer in einer Miet- oder Eigentumswohnung Rundfunkbeitragspflicht bestehen.
- Untermietverhältnis in einer Eigentumswohnung
In diesem Fall besteht keine Beitragspflicht für ein gemietetes Zimmer, Beitragspflicht besteht nur für die Eigentumswohnung selbst und alle dort gemeldeten Personen, einschließlich der Untermieterin, falls diese Wohnung nicht noch von einer größeren Raumeinheit umschlossen ist, welche die Kriterien der Definition wiederum erfüllt.
- Untermietverhältnis in einem Reihenhaus
Eine Studentin bewohnt in Untermiete ein ausgebautes Dachgeschoss mit Bad und Küchenzeile in einem Reihenhaus und ist für diese Wohnung bei der zuständigen Gemeinde gemeldet. Die Wohnung ist nur über eine Treppe zu betreten, welche sich innerhalb der Wohnräume der Vermieter befindet. Für diese Wohnung besteht keine Rundfunkbeitragspflicht, da Sie nach $ 3 RBStV keinen eigenen Zugang hat (… nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann.). Beitragspflicht besteht in diesem Fall nur für die volljährigen Bewohner bzw. Inhaber der diese Wohnung umschließenden Raumeinheit einschließlich der Studentin. Die Situation wäre ggf. anders, wenn die Studentin ihren Wohnbereich auch über eine, von der Wohnung der Vermieter baulich abgetrennte Treppe, z.B. von außen betreten könnte.
Es kann in solchen Fällen als durchaus vorkommen, dass Rundfunkbeiträge entrichtet werden, weil den Betroffenen die Legaldefinition nach § 3 RBStV nicht bekannt ist und sie nicht darauf hingewiesen wurden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Zwangsvollstreckungen ohne eigentliche Rechtsgrundlage durchgeführt wurden, obwohl für die tatsächlich beitragspflichtige umschließende Raumeinheit Rundfunkbeiträge entrichtet wurden.
- Ein Miethaus mit 10 Wohneinheiten
Wenn das ganze Gebäude nur einen Zugang über eine Haustüre besitzt, hinter welcher sich beispielsweise ein Treppenhaus befindet und das gesamte Gebäude gegen die Umgebung baulich abgeschlossen ist, besteht die Beitragspflicht nur für die HausgemeHauHausgemeinschaftHH3H555555h55Hausgemeinschaft, also das gesamte Gebäude. Beitragspflicht für jede Wohnung besteht jedoch beispielsweise dann, wenn keine Haustüre vorhanden ist, weil in diesem Fall nicht mehr das gesamte Gebäude baulich abgeschlossen ist, sondern nur noch die einzelnen Wohnungen.
Aus den angeführten Beispielen ist deutlich zu erkennen, dass für eine gesetzestextkonforme Feststellung der Rundfunkbeitragspflicht eine Prüfung der Kriterien von § 3 RBStV unbedingt erforderlich ist. Diese Prüfung wird von Anstalten bisher jedoch weder durchgeführt noch unterstützt.
Es stellt sich auch die Frage nach der eigentlichen Rechtmäßigkeit der vielfach durchgeführten Zwangsvollstreckungen vor dem Hintergrund des Gesetzestextes.
Oskar Glaser
91338 Igensdorf